Predigt Reminiszere: Römer 5,1-11


SUPERINTENDENT SCOTT MORRISON



Weil wir also aufgrund des Glaubens als gerecht gelten, haben wir Frieden mit Gott. Das verdanken wir unserem Herrn Jesus Christus. Durch den Glauben hat er uns den Zugang zur Gnade Gottes ermöglicht. Sie ist der Grund, auf dem wir stehen. Und wir dürfen stolz sein auf die sichere Hoffnung, zur Herrlichkeit Gottes zu gelangen. Aber nicht nur das. Wir dürfen auch auf das stolz sein, was wir gegenwärtig erleiden müssen. Denn wir wissen: Das Leid lehrt, standhaft zu bleiben. Die Standhaftigkeit lehrt, sich zu bewähren. Die Bewährung lehrt, zu hoffen. Aber die Hoffnung macht uns nicht zum Gespött. Denn Gott hat seine Liebe in unsere Herzen hineingegossen. Das ist durch den Heiligen Geist geschehen, den Gott uns geschenkt hat.



Lasst uns beten: Barmherziger Gott, du lässt uns das Leiden und Sterben deines Sohnes zu unserem Heil verkündigen. Wir bitten dich: Gib uns ein offenes Herz, dass wir seine Liebe und seinen Gehorsam erkennen und ihm nachfolgen. Segne dazu unser Reden und Hören. Amen.


Es wäre interessant, eine allgemeine Umfrage zu machen, in der die Menschen ihre Meinung zum Thema „Friede mit Gott“ geben. Ich stelle mir vor, dass es hauptsächlich zwei Meinungskategorien gäbe. Für die einen wäre der Friede mit ihm gewiss eine Selbstverständlichkeit, gerade weil diese Menschen nichts oder nur wenig mit Gott zu tun haben. Genauso wie ich in Frieden lebe mit allen Menschen, mit denen ich nichts zu tun habe. Erst die Begegnung mit ihnen, erst der Kontakt schafft Berührungspunkte und mögliche Reibungsfläche. Die andere Möglichkeit wäre, dass sie sagen, sie haben keinen Frieden mit Gott, denn sie sind überhaupt nicht einverstanden mit allem, was er auf dieser Welt zulässt. Für solche Menschen ist Gott oft nicht Person, sondern Funktion, die dem Bösem zu wehren oder es gar nicht entstehen zu lassen hat. Und wenn das doch geschieht: Dann hat Gott versagt, und sie haben etwas an ihm auszusetzen. Also, kein Friede. Eine dritte Antwort auf die Frage gibt es aber für die Menschen, die Gott durch das Zeugnis der Hl. Schrift und durch den Glauben kennen. Für sie ist der Friede mit ihm wesentlich. Sie sind sich seiner Größe, Heiligkeit und Allmacht bewusst — dass mit diesem Gott eben nicht zu scherzen ist. Mehr noch: Sie wissen, was sich in der vergangenen Woche allein in ihren Köpfen abgespielt hat, und was sie noch dazu tatsächlich gesagt und getan haben, und was sie versäumt haben. Dadurch wird ihnen klar, wieviel Unfriede mit Gott sie verursacht haben müssten. Lasst uns es jetzt sagen: „Sie“ sind wir. Wir haben Frieden mit Gott. Und diesen Frieden verdanken wir Christus. Das ist das Verwunderliche am christlichen Glauben. Es ist nicht so, dass unsere Taten, die zum Unfrieden führen, nicht mehr vorhanden wären. Vielmehr sagt Gott, von sich aus, weil sein Sohn sein Leben für uns dahin gab: „Ich rechne das euch nicht zu, ich vergebe euch. Ich erkläre mit euch — und deshalb habe ich mit euch — Frieden.“

Ein wichtiger Teil des Friedens mit Gott ist, so Paulus, dass wir freien Zugang zu seiner Gnade haben — und das ebenso, weil Christus bereit war, für uns sein Leben dahinzugeben. Wer Zugang zu etwas hat, dem ist der Weg dahin nicht versperrt. Er kann frei und offen hineingehen. Ein wunderbares Beispiel davon haben ich und meine Kinder im Urlaub in Brüssel erlebt. Dort haben wir entdeckt, dass der Königspalast für kurze Zeit für die Öffentlichkeit zugänglich war. Normalerweise ist das Gebäude abgeschlossen, abgeriegelt und strengst bewacht — mit dem Ziel: Es kommt hier keiner unangemeldet rein. D.h., normalerweise hätten wir keinen Zugang zum Schloss gehabt. Aber an diesem Tag hatten wir ihn und konnten durch die offenen Pforten des Schlosses frei hineinspazieren, durch die herrlichen Zimmer und Gänge schlendern und uns über das fantastische Gebäude freuen. So ist es auch für alle, die durch den Glauben mit Gott im Reinen sind und Frieden mit ihm haben: Sie dürfen zu dieser Gnade ungehindert hineingehen und daran teilhaben. Was in dem deutschen und im griechischen Wort „Zugang“ steckt ist das Wort „Gehen“. D.h.: Das Wort drückt einen Zustand aus, aber vielmehr die erwünschte Bewegung. So ist die Zusage, dass wir Zugang zur Gnade Gottes haben, eine Einladung und eine Aufforderung zugleich: Tretet hinein, tretet herzu, dahin, wo die Gnade Gottes frei zugänglich ist. Für uns ist das meistens unser Kirchraum, und insbesondere an unserem Altar, wenn Christi Leib und Blut ausgeteilt oder seine Worte der Vergebung bei der Beichte gesprochen werden. Darin ist die Gnade Gottes frei zugänglich für uns. Zugang heißt: Tretet hinein, tretet herzu.

Friede und der Zugang zur Gnade — das sind ein hohes Gut, das sind Geschenke Gottes, für jeden neuen Tag. Sie lassen uns mit dem heutigen Tag fertig werden und gut, oder besser, leben. Paulus schreibt aber auch zweimal in dieser kurzen Stelle von der Hoffnung, die wir ebenso in Christus haben dürfen. Die Hoffnung richtet unseren Sinn auf den morgigen Tag. Wenn wir keine Hoffnung hätten, hätten wir nur das, was hier und jetzt ist. Die Hoffnung aber lässt uns weiterschauen und weiterdenken als das. Noch mehr: Unsere christliche Hoffnung ist für uns eine feste Zuversicht oder Überzeugung. Unsere Hoffnung, Zuversicht, Überzeugung ist es, dass Christus wiederkommt, dass wir auferstehen und bei Gott ewig leben werden. Dieses Leben, mit seinen schönen und furchtbaren Seiten, ist nicht alles, was wir haben. Gerade weil wir diese Hoffnung haben und über den heutigen Tag hinausschauen können — haben wir zwei Dinge, die sehr wichtig sind: Diese Hoffnung gibt uns ein Ziel, auf das wir hinlaufen können, und durch diese Hoffnung haben wir mehr Standhaftigkeit und Ausdauer. Wenn du ein Ziel hast, hast du auch eine Richtung und Orientierung im Alltag. Entweder führt das, was du tust, zum Ziel oder es hilft dir nicht weiter. Und gerade durch dieses Ziel hast du auch einen Maßstab, an dem du dein Tun und Lassen messen und auch korrigieren kannst. Tust du das auch? Diese Fastenzeit gibt Anlass und Gelegenheit dazu. Hinsetzen, beten, die Augen auf das richten, was dein Ziel als Christ ist, und dann prüfen, ob du auf dieses Ziel hinläufst oder nicht, und dann umlenken. Das zweite, was wir mit unserer Hoffnung haben, ist eine größere und bessere Standhaftigkeit und Ausdauer. Das braucht man insbesondere, wenn die Zeiten schwer werden, in Leiderfahrungen, in Rückschlägen, in der scheinbaren Ausweglosigkeit. Mit einem klaren Ziel vor Augen, mit der gewissen, festen Hoffnung, die wir haben dürfen, werden diese Zeiten nicht weniger schmerzlich, aber wir haben das Wissen und die Weitsicht, um mit ihnen eher fertig zu werden. Ich habe es oft gesagt und wiederhole es gerne hier: Meine Erfahrung ist, dass Menschen, die fest verwurzelt sind im Glauben, mit solchen Leiderfahrungen besser zurechtkommen. Sie werden nicht so leicht umgehauen, auch wenn die Schmerzen noch so schlimm sind. Wie gesagt: Die Leiderfahrungen werden dadurch nicht geringer, aber die Standfestigkeit nimmt zu.

Frieden mit Gott, freier Zugang zu seiner Gnade, Hoffnung über den heutigen Tag hinaus, ein klares Ziel vor Augen, Standfestigkeit in Leiderfahrungen — all das ist deins in der Verbindung mit Jesus Christus. Amen

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